„Im Sport kann ich Menschsein üben“
Seit dieser Saison trainiert Pascal Sigg das NLA-Team des UHC Uster. Ein Interview über den Trainerjob, Leistungssport als Lebensschule und seine Revanchegelüste.

Seit dieser Saison trainiert Pascal Sigg das NLA-Team des UHC Uster. Ein Interview über den Trainerjob, Leistungssport als Lebensschule und seine Revanchegelüste.
Pascal, warum arbeitest du im UHC Uster mit?
Pascal Sigg: Ich war letzte Saison Trainer bei Zürisee Unihockey in der NLB. Nachdem ich mich entschlossen hatte, da aufzuhören, fragte mich Philippe Soutter an, ob ich ihm in Uster helfen wollte. Er bot mir eine massgeschneiderte und herausfordernde Rolle an, in welcher ich beim angestrebten Studiumsabschluss nicht zurückstecken musste. Mittlerweile hat sich diese ja bekanntermassen geändert. Entscheidend war neben dieser passenden Rolle für mich aber auch, dass mich der UHC Uster anfragte. Bei einem anderen Verein hätte ich ein Engagement gar nicht erst in Betracht gezogen.
Weshalb?
Ich bin in Fehraltorf aufgewachsen und kam mit 16 nach Uster, als die erste Herrenmannschaft noch in der 1. Liga spielte. Dann erlebte ich mit Ausnahme einer Saison die gesamte Reise bis zu den ersten Saisons in der NLA mit. Der Verein ist für mich also eine Art sportliche Heimat. Zudem kenne ich die meisten Leute, die schon länger hier ehrenamtlich mitarbeiten seit Jahren und weiss, wie sehr sie diesen Sport und die Gemeinschaft schätzen. Das macht für mich auch den UHC Uster aus. Die Verbindung von sportlicher Leistung mit Leidenschaft und Freude am Zusammenleben. Dass dies alles an einem Ort derart aktiv gelebt wird, ist nicht selbstverständlich.
Du sprichst die ehrenamtliche Arbeit an. In welchen Bereichen nebst deinem Amt als Headcoach kannst du Sportliches trotzdem mit Beruflichem verbinden?
Einerseits geht für mich persönlich Beruf gar nicht ohne Sport. Ich brauche in meinem Alltag Tätigkeiten, bei denen ich eine Verbindung zu anderen Menschen spüre, indem ich gemeinsam mit ihnen auf ein Ziel hinarbeite, ohne dass dabei Geld eine zentrale Rolle spielt. Hätte ich dies nicht, wäre ich isoliert, deprimiert und todunglücklich. Andererseits ist es wohl auch kein Zufall, dass ich beruflich als Berufsschullehrer und unabhängiger Journalist Tätigkeiten ausübe, in welchen man wie im Sport präzise kommunizieren und konstruktive, ehrliche Beziehungen schaffen muss. Solche Aufgaben werden nie langweilig. Wir selbst, unsere Lebensumstände und die Sprache, mit welcher wir alles im Griff haben wollen, sind ja ständigen, zumeist unvorhersehbaren Veränderungen unterworfen.
Zielorientierung, ehrliche Beziehungen, Unabhängigkeit vom Geld. Treibt nicht in erster Linie der Wille zum Erfolg den Leistungssportler an?
Hier kann ich natürlich nur von mir sprechen. Das war eine Frage, die mich meine gesamte Spielerkarriere lang beschäftigt hat. Leistungssport kann ja sehr körperlich und dadurch auch banal wirken. Für mich war es das nie, aber mir wurde auch erst vor wenigen Jahren, als ich wegen meiner Fussverletzung aufhören musste, bewusst, was mich wohl in erster Linie daran faszinierte. Ich glaube es ist die besondere Ehrlichkeit und Transparenz des Wettbewerbs, die ich sonst nirgends in meinem Leben erlebe. Die Art von Wettbewerb in Prüfungen, Job-Bewerbungen, bei Beförderungen im Berufsleben zum Beispiel ist ja notwendigerweise nie transparent und dauert das ganze Leben an. Im Sport ist das anders. Ich kriege immer wieder und zum Teil sehr schnell eine neue Chance. Jedes Spiel, jede Saison beginnt immer bei Null. Und ich weiss normalerweise nach einem verlorenen Spiel genau, weshalb ich verloren habe und kann es bereits eine Woche darauf besser machen. Dadurch erfahre ich eine Art der Selbstwirksamkeit, die ich sonst selten spüre. Dann will ich natürlich auch Erfolg haben, um meine eigenen Erwartungen an mich selbst zu erfüllen. Ich fühlte mich immer wahnsinnig lebendig in den wichtigen Spielen.
Nun bist du aber nicht mehr Spieler, sondern Coach. Was ist anders und weshalb machst du den Trainerjob?
Das ist in der Tat etwas anderes. Als Spieler verstehst du mit der Zeit, dass es allen am meisten hilft, wenn du dich ganz auf deine eigene Aufgabe konzentrierst und die so gut wie möglich erfüllst. Als Coach ist es schwieriger. Du weisst nie ganz genau, was deine Aufgabe ist, wie weit sie geht und was du alles beeinflussen kannst oder solltest. Und dann ist es ja auch so, dass du nichts wirklich tun kannst. Als Spieler kannst du in Zweikämpfen wirklich körperlich präsent sein. Als Coach kann ich nur die ganze Zeit sagen, woran ich glaube und warum. Alles passiert in der Sprache. Diese Herausforderung treibt mich an.
Die Sprache?
Ja, die Komplexität dieses tollen Sports zu erfassen und sprachlich zu vermitteln. Und dann natürlich ebenfalls durch Kommunizieren ein Gefühl der Gemeinschaft in der Mannschaft zu schaffen, welches gegenseitiges Vertrauen und Respekt beinhaltet. Grundsätzlich ein Modell des Zusammenlebens also. Wie kann das in unserer von Individualismus geprägten Gesellschaft genau funktionieren? Diese Fragen und dass ich auf sie wohl nie eine einfache Antwort kriegen werde, faszinieren mich.
Du erwähnst das Gemeinschaftsgefühl. Inwiefern kannst du die Qualität des Beziehungsgefüges innerhalb der Mannschaft als Coach aktiv mitgestalten?
Ich kann selbst respektvoll und ehrlich kommunizieren, Fehler und Versäumnisse eingestehen. Ich muss aber auch signalisieren, dass ich bereit bin, die Initiative zu ergreifen und viel zu leisten, wie ich das ja auch von den Spielern verlange. Dabei darf ich Konflikte nicht scheuen, sondern muss sie offen und mit Respekt austragen. Diese Dinge schaffen meiner Erfahrung nach mit der Zeit automatisch Vertrauen und das Gefühl einer besonderen Gemeinschaft.
Welche gesellschaftliche Rolle schreibst du dem Leistungssport heute allgemein zu? Wo siehst du in diesem Zusammenhang Chancen und Herausforderungen für eine Region wie den Grossraum Uster?
Das ist ganz wichtig: Der Leistungssport schafft soziale Verbindungen und Begegnungen, eben gerade weil wir uns dabei auf ganz anderen Ebenen als Menschen kennenlernen, als wenn Geld im Spiel ist. Eine Mannschaft oder ein Verein als sportliche Gemeinschaft kann so durchaus auch Brücken bauen und Vorurteile abbauen, weil man mit anderen Menschen auf anderen Ebenen zu tun hat als im beruflichen Alltag. Für eine Region kann ein funktionierender Verein, in welchem leidenschaftlich und respektvoll miteinander verkehrt wird, grossen positiven Einfluss auf vielen Ebenen haben. Das spürt man in kleinen Situationen des Alltags.
Wie zum Beispiel?
Zum Beispiel an einem friedlichen Uster-Markt, wo Teamkollegen Konflikte schlichten, in einer besonders gut funktionierenden Schulklasse in welcher sich die Schülerinnen und Schüler bereits aus dem Verein kennen oder bei der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, wo die Angestellten trotz unterschiedlicher Interessen respektvoll und zielorientiert kooperieren. Ein Grundgefühl des Vertrauens oder der Vertrautheit also. Ich glaube, dass das gerade heute besonders wichtig ist und gar noch wichtiger werden wird, weil ja alle immer vor irgendwas Angst haben. Die Herausforderung besteht natürlich darin, dieses Vertrauen nicht bloss zu schaffen, sondern dann auch noch zu erhalten. Das braucht viel Kommunikation, Ehrlichkeit und Mut und ist daher sehr anstrengend, aber lohnenswert und für eine freie Gesellschaft unabdingbar.
Könnte man also tun, was häufig getan wird und Teamsport als Lebensschule bezeichnen?
Ich glaube grundsätzlich ja. Man darf das aber nicht im klischierten Sinn meinen, weil man sagt, dass man beim Teamsport lernt, sich in einem Wettbewerb durchzusetzen. Damit reduziert man das Leben viel zu einfach auf einen Wettbewerb, was es nicht ist. Ich glaube, dass man im Teamsport viel eher lernt, vor dem Hintergrund eines fairen Wettbewerbs sich seine eigene Menschlichkeit zu bewahren oder erst zu finden. Konkret kann man im Teamsport ganz bestimmt lernen, für uns Menschen naturgemäss Schwieriges nicht zu verdrängen, sondern es zu akzeptieren oder gar schätzen zu lernen.
Was meinst du konkret?
Im Teamsport können wir beispielsweise lernen, uns mit unseren Ängsten zu konfrontieren. Wir lernen beispielsweise, dass sie oftmals in ihrer Ausprägung nicht so begründet sind. Oder aber, dass sie manchmal auch begründet sind und sie existieren, wir sie aber trotzdem überwinden können. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Aspekte des Team- und Vereinssports immer wichtiger werden, denn wir neigen ja dazu, immer mehr Dinge an Computer zu delegieren und dabei zu glauben, dass alles einfacher wird. Doch es wird nie eine App geben, die stellvertretend für mich den Fehler eines anderen sofort ausbügelt, weil es einfach getan werden muss oder jemandem gegenübertritt, ihm oder ihr in die Augen schaut und damit mehr sagt, als bloss eine Whatsapp-Nachricht. Wieder: wir können uns ernsthaft damit beschäftigen, was es bedeutet, Menschen zu sein und Identitäten zu finden.
Werden wir zum Schluss noch etwas persönlicher: Welche sportlichen Erfahrungen oder Erlebnisse haben dich mitgeprägt?
Davon gibt es einige. Im Zusammenhang mit dem UHC Uster ganz besonders der Cupsieg gegen Alligator Malans aus der Saison 2000/2001, als wir als Erstligist nach einem 0:5-Rückstand gegen das NLA-Topteam noch mit 7:5 gewannen. Ich war damals 17 und erfuhr ganz konkret zum ersten Mal, dass nichts unmöglich ist. Dann auch die Aufstiegssaison von 2003/2004, als wir teamintern Schwierigkeiten hatten, uns aber zusammenrauften und mit dem Aufstieg wieder versöhnten. Das hat mich Bescheidenheit gelehrt. Und zum Schluss auch die schwierigen Jahre in der NLA, in welchen wir teilweise ziemlich verprügelt wurden, und in welchen es auch vereinsintern Turbulenzen gab. Dabei wurde mir die harte und wichtige Arbeit der ehrenamtlichen Vereinsfunktionäre erst richtig bewusst. Seither verspüre ich eine grosse Lust zur Revanche und zu sportlichem Erfolg mit diesem tollen Verein.
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